Fulbe

Fulbe
Fụl|be 〈m. 6 oder m.; -, -〉 Angehöriger eines hamit. Volksstammes im westl. u. mittleren Sudan

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Fụlbe,
 
Singular Pụlo, Fellata, englisch Fulani, französisch Peuls [pøl], Stammesgruppe in West- und Zentralafrika, in isolierten Einheiten über die ganze westliche Sudanzone verstreut, etwa 17 Mio. Menschen, davon 10 Mio. in Nigeria. Die Fulbe kamen wahrscheinlich gegen Ende des 1. Jahrtausend n. Chr. aus der Sahara. Vom 12./13. Jahrhundert an breiteten sie sich von Senegal nach Süden und Osten aus. In den meisten Gebieten sind die Fulbe nur eine Minderheit inmitten anderer Volksgruppen; nur im Fouta-Toro (Senegal) und Fouta-Djalon (Guinea), in Masina und Liptako (Mali), um Sokoto und Bauchi (Nigeria) und in Adamaua (Kamerun) sind sie die dominierende Bevölkerungsgruppe. Die als nomadisierende Rinderhirten lebenden Fulbe, die Bororo, haben ihr äthiopides Erscheinungsbild am stärksten bewahrt; sie sind nur oberflächlich islamisiert. Die sesshaften Feldbauern und städtische Fulbe haben sich den Völkern ihrer Wohngebiete stark angeglichen und gelten als fanatische Muslime.
 
Die Zerstörung des Staates Gana (1076) gab wohl den Anstoß zu jahrhundertelang andauernden Wanderungen der Fulbe vom Senegal nach Süden und Osten (im 18. Jahrhundert erreichten sie Nordkamerun). Seit dem 16. Jahrhundert übernahmen Fulbe in verschiedenen Gebieten Westafrikas die Herrschaft: animistische Fulbe 1559 im Fouta-Toro in Tekrur am mittleren Senegal (dort 1776 von islamischen Tukulor-Bauern besiegt), islamische Fulbe 1725 im Bergland des Fouta-Djalon, wo unter einem »Almamy« (von arabisch Imam) ein theokratischer Staat entstand, der die Kolonialzeit überdauerte. Im frühen 19. Jahrhundert kam es zu einer Hegemonie islamisch-fundamentalistischer Fulbestaaten in Westafrika: Ab 1801 errichtete Osman dan Fodio in den Hausastaaten des heutigen Nordnigeria das Kalifat von Sokoto; sein Gefolgsmann Adama (✝ 1847) unterwarf die Bevölkerung des Adamaua. 1810 eroberte Hamadou Sékou das Land Masina und baute als neue Residenzstadt Hamdallaye. 1850 begann Omar Saidou Tall, seine Hauptstadt zwischen Senegal und dem oberen Niger aufzubauen; 1861 eroberte er die Stadt Ségou, scheiterte aber bei der Unterwerfung des Fulbestaates Masina. Ende des 19. Jahrhunderts erreichte die französische Kolonialisierung den Savannengürtel Westafrikas, während der Hauptteil des Kalifats von Sokoto sich der britischen Herrschaft unterwarf und Adamaua deutsch wurde (bis 1919). Die von Fulbearistokraten bestimmten politischen Systeme blieben zum Teil erhalten; die Emire Nordnigerias bildeten ein Modell für die indirekte Herrschaft im britischen Empire. Im Zuge der Entkolonialisierung zerstörte jedoch Präsident Sékou Touré um 1958 die Theokratie im Fouta-Djalon; Ahmadu Bello, der Dardauna von Sokoto, wurde beim ersten Militärputsch in Nigeria 1966 erschossen.
 
Die Sprache der Fulbe, das Ful (Fulfulde, Fula), wird im gesamten westafrikanischen Raum zwischen Senegal und der Republik Sudan gesprochen. Von früheren Sprachforschern (z. B. C. Meinhof) wurde es als prähamitische oder hamitosemitische Sprache angesehen, heute wird es zu den Westatlantischen Klassensprachen gerechnet und in ein westliches (»Pulaar«), zentrales (»Masina«) und östliches Ful (in Nordnigeria und Kamerun) unterteilt; es besitzt 24-28 Nominalklassen (Klassensprachen), eine grammatisch bedingte Anlautpermutation an Nomen und Verb sowie das Medium als verbales Genus. In Kamerun hat es sich zur Verkehrssprache entwickelt. Es existiert eine reichhaltige Literatur in Ful; bemerkenswert ist besonders die Lyrik.
 
 
H. Labouret: La langue des Peuls ou Foulbé (Dakar 1955);
 M. Dupire: Peuls nomades (Paris 1962);
 A. Klingenheben: Die Sprache der Ful (1963);
 H. G. Mukarovsky: Die Grundl. des Ful u. das Mauretanische (Wien 1963);
 D. W. Arnott: The nominal and verbal system of Fula (Oxford 1970);
 U. Braukämper: Zur kulturhistor. Bedeutung der Hirten-Ful für das Staatswesen des Zentralsudan, in: Paideuma, Jg. 17 (1971);
 P. Riesman: Freedom in Fulani social life (Chicago, Ill., 1977);
 V. Azarya: Aristocrats facing change. The F. of Guinea, Nigeria, and Cameroon (ebd. 1978);
 
History of West Africa, hg. v. J. F. A. Ajayi u. a., Bd. 2 (London 51984);
 N. Schareika: Die soziale Bedeutung der Rinder bei den F. (Benin) (1995).
 

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Fụl|be <Pl.>: Stammesgruppe in West- u. Zentralafrika.

Universal-Lexikon. 2012.

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  • fulbe — fȕlbe (fȕla, pèul) prid. <indekl.> DEFINICIJA ob. u: SINTAGMA fulbe jezik lingv. jezik zapadnoatlantske grane nigersko kordofanskih jezika, govori se u zapadnoj Africi ETIMOLOGIJA vidi Fulbe …   Hrvatski jezični portal

  • Fulbe — Ful be (f[oo^]l b[asl]), n. (Ethnol.) Same as {Fulahs}. [1913 Webster] …   The Collaborative International Dictionary of English

  • Fulbe — Fulbe, so v.w. Fellatah …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Fulbe — (Mehrzahl von Pullo = hellbraun), auch Fellata, Fellani genannt, fanatisch mohammed. Negerstamm im mittlern und westl. Sudan, wahrscheinlich aus Fessan eingewandert, gründeten seit Anfang des 19. Jahrh. mehrere große Reiche (Gando, Sokoto,… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Fulbe — Fȕlbe m mn <N Fȕl> DEFINICIJA etn. narod u Z Africi, između Senegala i Kameruna, o. 20 mil. pripadnika …   Hrvatski jezični portal

  • Fulbe — Fulani Frauen mit traditionellen Gesichtszeichnungen Die Fulbe (arabisch ‏ فولا‎), im deutschen Sprachbereich auch unter ihrem englischen Namen Fula oder Fulani und ihrem französischen Namen Massina, Peul oder Peulh bekannt …   Deutsch Wikipedia

  • Fulbe — noun a member of a pastoral and nomadic people of western Africa; they are traditionally cattle herders of Muslim faith • Syn: ↑Fulani, ↑Fula, ↑Fulah, ↑Fellata • Hypernyms: ↑African * * * ˈfül(ˌ)bā noun ( …   Useful english dictionary

  • fulbé — ► adjetivo sustantivo de género común ETNOGRAFÍA Díc. del individuo perteneciente a un pueblo africano afín a los tuaregs, que vive disperso desde el lago Chad al Atlántico (Nigeria, Malí, Guinea, Camerún y Níger). La mayoría son nómadas, se… …   Enciclopedia Universal

  • fulbe — ful·be …   English syllables

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